Interview mit Paula Pongratz…
…die Grafikdesign studiert hat, aber lieber Videokunst und Postapokalyptischen Schmuck macht, in München lebt und versucht, weniger zu arbeiten.
Kennengelernt habe ich sie auf der Maker Faire Berlin, wo sie einen Workshop zum Schmuck-Basteln aus Elektroschrott und anderen schönen Dingen angeboten hat. Außerdem stellte sie Teile ihrer postapokalyptischen Schmuck-Kollektionen aus. Paula ist mit ihren Workshops nicht nur auf den Maker Faires unterwegs, sondern auch auf diversen anderen kreativen Veranstaltungen.
Die Fotos zeigen ein paar ihrer Werke, darunter (ganz unten) Schmuck aus Straßenkehrmaschinenborsten. Schaut doch einfach mal auf Paulas Seite vorbei!
https://p0stap0calyptic.wordpress.com
Wie kamst du auf die Idee zu postapokalyptischem Schmuck?
Als Sechzehnjährige habe ich im Keller in einer Kruschkiste den Griff eines Wasserhahnes gefunden, und ich dachte mir: Hey, der hat die Form einer Blume! Ab da trug ich ihn an einer Kette um den Hals. Irgendwann wurde das langweilig, weshalb ich begann, nach anderen Dingen zu suchen, die ein Loch hatten, um eine Kette durchzufädeln. Sachen, deren Form oder Farbe ich schön finde, sammel ich einfach von der Straße. Das ist natürlich auch ein Spiel mit dem Wert: Andere Leute tragen superteure Schmuckstücke, aber ich gebe den Dingen Wert, indem ich sie finde und sage, dass sie mir so viel wert sind wie anderen ihre Diamanten. Jede/r kann Schmuck selber machen und alles kann zu Schmuck werden!
Wie entstand dann die Bezeichnung „postapokalyptisch“?
2011 wurde ich von einem Wiener Künstlerkollektiv, bei dem ich früher ein Praktikum gemacht hatte, zur ersten Postapokalyptischen Industriemesse nach Wiener Neustadt eingeladen, um einen postapokalyptischen Schmuckstand anzubieten. Da merkte ich: Die haben recht, mein Schmuck ist postapokalyptisch – er besteht aus den Überresten der menschlichen Zivilisation…
Woher bekommst du diese Reste, das Material?
Viele aus meinem Freundeskreis, Bekannte und ArbeitskollegInnen sammeln für mich und heben kaputte Elektrogeräte auf. Wenn ich mal auf den Wertstoffhof muss, nehme ich mir da was mit. In München gibt es leider nicht so viel Sperrmüll auf den Straßen wie in Berlin, das wär ein Paradies für mich. Manchmal wächst mein Materialhaufen so an, dass ich nicht mehr weiß, wohin damit. Eine eigene Lagerhalle wär traumhaft…
Du hast gesagt, du würdest gern eines Tages davon leben, was machst du gerade hauptberuflich?
Ich arbeite im Café, je nach Geldsituation mehr oder weniger, dann helfe ich in einer Galerie für zeitgenössische Kunst aus und manchmal bin ich selbstständig als Filmausstatterin, Cutterin oder ähnliches unterwegs. Genau, eine weitere Sache, die ich mache, sind Live Visuals in zwei relativ bekannten Elektro-Clubs in München. Dort gibt es nicht nur DJs, die Musik auflegen, sondern auch VJs, die diese live bebildern.
Wie funktioniert das?
Vorher bastel ich mir kurze Videoclips, die als Loop laufen können. Die lade ich in ein VJ-Programm, das so ähnlich wie Photoshop, nur für Videos, funktioniert, und verändere sie dann live zur Musik. Das Ganze wird an die Wand projiziert. Das macht großen Spaß, ist aber manchmal anstrengend, weil es meist die ganze Nacht geht.
Ist es nicht problematisch, dass man sich die Ideen für deinen Schmuck abschauen und ihn selber machen kann, anstatt ihn von dir zu kaufen?
Ja, deswegen verkauft er sich auch nicht so gut. Klar könnte ich ihn auch in Massenproduktion herstellen und billiger verkaufen, aber das wäre mir zu langweilig. Ich sehe meinen Schmuck schon als Kunst. Doch es ist mir wichtig, nicht den überteuerten Kunstmarkt zu bedienen, sondern Kunst für alle zugänglich zu machen. Deswegen gebe ich ja auch die Workshops. Die Leute bekommen so den Ansporn, Sachen selber zu machen und darüber nachzudenken, was man alles wegwirft. Viele sagen: „Boah, ich werde nie wieder was wegschmeißen, sondern alles verbasteln!“
Also stört es dich nicht so, wenn andere dir nachmachen, weil es der Sache dient?
Nee, im Gegenteil, es ist schön, wenn ich die Idee in die Welt hinausgeben kann! Es soll vor allem ein Anreiz zum Nachdenken sein: Warum ist dieser Goldring oder der Schmuck, der in den Galerien angeboten wird, so viel wert? Wer hat das festgelegt? Klar, da spielen natürlich Faktoren wie Seltenheit oder die Reinheit des Metalls eine Rolle, aber bei dieser Werteverteilung muss man nicht mitmachen. Man kann auch einen alten Kugelschreiber nehmen und sagen, der gefällt mir so, wie er ist und ist mehr wert als alles andere.
Es soll auch eine Kritik an diesem herkömmlichem Schmuck sein; zur Gewinnung von Edelmetallen und -steinen wird ein Raubbau an Natur und menschlicher Arbeitskraft betrieben, Stichwort Blutdiamanten.
Durch das Tragen von Postapokalyptischem Schmuck möchte ich ein Zeichen dagegen setzen und in den Workshops ein Bewusstsein für den Wert der Materialien unseres „Abfalls“ vermitteln.